Erdbeerkuchen kontra Dachsanierung

28 Jan 2013 | News

Endlich Frühling. Die ersten Bienen schwärmen ebenso aus wie die Dach-Haie. Und die Hausbesitzer erwachen aus dem Winterschlaf. Endlich Zeit für die Dachdecker, ein Angebot nach dem anderen für die Menschen zu erarbeiten, die mit kurzem Blick auf die letzte Seite unten rechts stöhnen: „Mein Gott, so teuer?“.

Recht haben sie, diese Menschen. Ausgebeutet wurden sie von Elektronik-Konzernen, die 120 Euro für den Kostenvoranschlag zur Reparatur des 100-Euro-Handys verlangt haben. Abgezockt wurden sie von ihrer Autowerkstatt, die sich das Angebot für den letzten Parkrempler fürstlich bezahlen ließ. Ausgenommen wie eine Weihnachtsgans hat sie der Rechtsanwalt, der sich seine Erstberatung mit dem Hinweis, den Handyhersteller möglicherweise wegen Verletzung der Menschenrechte und die Autowerkstatt aufgrund ihres Kostenvoranschlags wegen versuchter Körperverletzung zu verklagen, mit 300 Euro honorieren ließ.

Wie gut, dass es da den Dachdecker gibt. Er erarbeitet doch gerne und absolut kostenfrei ein Angebot für die energetische Dachsanierung. Geht ja auch schnell dank PC. Ein Besuch beim Kunden (inkl. An- und Abfahrt), Erstellung eines Leistungsverzeichnisses, damit das der Architekt nicht auch noch gegen Bezahlung machen muss. Da vergehen die durchschnittlich vier Stunden doch wie im Flug. Macht bei den 286 Angeboten im vergangenen Jahr 1.144 Arbeitsstunden (oder 143 Arbeitstage).

Wer als ganz bescheidener Dachdecker seine „Angebots-Arbeitsstunde“ nur mit 30 Euro ansetzt, hat so seinen Kunden 34.320 Euro geschenkt. Steuerfrei – im Gegensatz zum kleinen Präsent für die Mitarbeiter, die täglich bei Wind und Wetter auf der Baustelle sind. Ihr Geschenk muss natürlich versteuert werden, wenn es den Wert von 40 Euro übersteigt.

34.320 Euro pro Jahr verschenkt. Hochgerechnet auf rund 150 Mitgliedsbetriebe der Dachdecker-Innung München-Oberbayern entspricht das kollektiven Kundenpräsenten im Wert von 5,148 Mio. Euro.

Und dann bekommt der Dachdecker endlich den Zuschlag vom Kunden. Mehr als 34.000 Euro hat er inzwischen dafür investiert. Ran an die Arbeit, Material eingekauft (und den Betrag vorgelegt). Endlich ist der Auftrag erfüllt – zur vollsten Zufriedenheit des Kunden. Doch der gehört leider zu den Zeitgenossen, die grundsätzlich ihre Rechnungen erst nach Mahnstufe 3 bezahlen. Natürlich vergisst er nicht, 3% Skonto abzuziehen.

FotoliaDiese Art der „Absicherung“ durch den Kunden ist für ihn im Alltagsleben meist gar nicht möglich. Beispiel Erdbeerkuchen. Für ein 10 x 12 cm großes Stück Erdbeerkuchen muss der Kunde 2,65 Euro bezahlen. Das entspricht einem Quadratmeterpreis von über 220 Euro. Und der Kunde muss diesen horrenden Quadratmeterpreis (dafür gibt es woanders voll erschlossenes Bauland) bezahlen, noch bevor er den Erdbeerkuchen einer Qualitätskontrolle unterziehen kann. Auf einen Sicherheitseinbehalt lässt sich auch kaum ein Bäcker ein. Trotz Vorkasse gewährt der Bäcker keinen Skonto.

Warum muss eigentlich nur der Dachdecker seine Angebote „ehrenamtlich“ schreiben?

Dieser Beitrag wurde aus der Fachzeitschrift „Das Dach“ der Zedach-Gruppe übernommen. Text: Friedrich, Jäger